Zahnstein: Steter Tropfen nährt den Stein
Zahnstein löst sich durch starke Ultraschallgeräte von der Zahnoberfläche
Nur in der Zahnarztpraxis sollte Zahnstein entfernt werden

Harte, mineralisierte Beläge auf den Zähnen sind mindestens so verbreitet wie Schnupfen in der kalten Jahreszeit. Ein Risiko für die Zahngesundheit wird Zahnstein vor allem, wenn er unterhalb des Zahnfleisches auftritt.

Regelmäßig gepflegte Zähne geben ein gutes Mundgefühl: Mit der Zunge kann man über die glatten Oberflächen der Zähne streichen und den weichen Übergang zum Zahnfleisch erspüren. Doch Milliarden von Bakterien versuchen stetig diesen Zustand zu verändern und ihren Anforderungen anzupassen. Sie produzieren einen Biofilm, der ihnen Schutz und ein stabiles Milieu bietet. Wird dieser Biofilm, auch Plaque genannt, nicht durch Zahnbürste und Zahnseide entfernt, drohen dem Zahnschmelz Schäden durch die Stoffwechselaktivität der Keime – es kommt zu Karies.

Doch Plaque muss nicht eine schleimige, leicht zu entfernende Schicht bleiben. Bestimmte Umstände lassen den Biofilm aushärten; wie ein Kalküberzug im Teekessel überdeckt dann auch die Zahnoberfläche ein rauer Belag. Diese harte Schicht ist als Zahnstein bekannt, doch welche Bedeutung dieses Phänomen aus zahnmedizinischer Sicht hat, wird öffentlich kaum kommuniziert. Das mag zum einen daran liegen, dass Zahnstein (in der Fachsprache Calculus dentis) fast nie das primäre Übel bei Zahnproblemen ist, aber auch an vielen noch offenen Fragen.

So ist beispielsweise zwar bekannt, dass anorganische Bestandteile Plaque zu einer steinharten Masse werden lassen. Wie dies jedoch genau geschieht, wird bislang nur durch verschiedene Hypothesen erklärt. Klar ist: die wichtigsten beteiligten Mineralstoffe sind Kalzium und Phosphat. Sie bilden auch die wesentlichen Grundsubstanzen beim Aufbau von Knochen und Zähnen. Lediglich die genaue Zusammensetzung und die Kristallstrukturen unterscheiden sich.

Hoher pH-Wert begünstigt Zahnsteinbildung

Warum gelöstes Kalzium und Phosphat im Zahnbelag zu festen Kristallen ausfallen, könnten die Orte ihres häufigsten Vorkommens verraten. Meist sind es Bereiche nahe der Ausführgänge der Speicheldrüsen, wie zum Beispiel die Innenseiten der unteren Schneidezähne. Hier trifft der kalziumreiche Speichel möglicherweise auf ein anderes Milieu, das den pH-Wert steigen lässt und dadurch ein Auskristallisieren (Fällen) von Kalziumphosphat begünstigt. Begründet wird der basischere pH-Wert mit einer vergleichsweise geringeren Menge an gelöstem Kohlendioxid im Mundraum (CO2 im Speichel senkt den pH-Wert, macht ihn sauer - in der Mundhöhle verflüchtigt sich das Gas).

Eine andere Theorie vermutet einen Anstieg des pH-Wertes durch das bakterielle Enzym Urease. Dieses Enzym wandelt den reichlich im Speichel enthaltenen Harnstoff in Ammoniak um, welches für stark basische Verhältnisse im Umfeld sorgt. Nicht zuletzt könnte es auch durch das Absterben von Bakterien zu mineralischen Ablagerungen kommen, da die Mikroben im intakten Zustand ihren Kalzium-Phosphat-Haushalt über die Zellmembran regulieren. Beim Zerfall setzen sie viel Phosphat aus dem Inneren frei und durch eine Übersättigung des Mineralsalzes entstehen kleine Kristalle.

Neben einigen weiteren Theorien bleibt festzuhalten, dass vor allem der lokal gegebene hohe pH-Wert maßgeblich für die Bildung von Zahnstein ist, sowie ein Überfluss an Kalzium- und Phosphationen. Zudem ist stets ein weicher Zahnbelag in Form von Plaque der Wegbereiter für die versteinerten Auflagerungen. Wissenschaftlich werden zwei Arten von Zahnstein unterschieden: Harte Beläge die im Mundraum bei Durchsicht sofort zu erkennen sind (supragingival) und solche, die unterhalb des Zahnfleischsaums liegen (subgingival). Beide haben eine eigene Quelle, aus der sie ihr Wachstum speisen. Während der sichtbare Zahnstein seine Bestandteile aus dem Speichel bezieht, wachsen Beläge unterhalb des Zahnfleisches durch die Inhaltsstoffe der Flüssigkeit zwischen Zahn und Zahnfleisch (Sulkusfluid). In Letzterer befinden sich auch Abfallstoffe des Blutes, die dem versteckten Zahnstein eine dunkelbraune Farbe verleihen. Außerdem ist dieser durch einen Mineralstoffgehalt von etwa 60 Prozent etwas härter als Zahnstein im sichtbaren Bereich (etwa 40 Prozent Mineralgehalt).

Zahnstein und Karies: entweder oder

Der Befund Zahnstein ist immer ein Zeichen von unzureichender Zahnhygiene, so dass ein Risiko von Zahnerkrankungen logischerweise generell erhöht ist. Dennoch konnte in Studien gezeigt werden, dass dort, wo Zahnstein auftritt, Karies weniger zu finden ist. Betrachtet man das Milieu, das Kariesschäden fördert, verwundert diese Beobachtung nicht: Zu Karies kommt es unter sauren Bedingungen, Zahnstein wächst hingegen bei hohen pH-Worten. In der Regel liegt unter einer Schicht aus Zahnstein eine intakte Zahnoberfläche, die keine Zerstörungen durch die Auflagerung erkennen lässt.

Dies gilt auch für Zahnstein in einer Zahnfleischtasche. Doch hier werden die rauen, kristallinen Strukturen zum gesundheitlichen Problem: Sie werden zum komfortablen Biotop für Parodontitis verursachende Keime. Teil einer Therapie gegen die Entzündungen des Zahnhalteapparates ist daher auch das sogenannte „Scaling and Root Planing“. Dabei wird mit einem scharfen Instrument jegliche Unebenheit auf der Wurzel entfernt und die Oberfläche geglättet.

Seit einigen Jahrzehnten und etlichen Patenten versucht die Kosmetikindustrie dem Verbraucher Zahnpflegeprodukte an die Hand zu geben, die die Zahnsteinbildung verhindern. Wirksame Mittel zu kreieren, ist hier ein schwieriges Unterfangen. Denn wenn die Mineralisation blockiert wird, stoppt dies meist auch die gewünschte Remineralisation von geschwächtem Zahnschmelz. Als Lösung setzen die Hersteller von Zahnpasten daher meist an einem anderen Punkt an: Sie versuchen Bakterien zu eliminieren, die für den Aufbau von Plaque verantwortlich sind.

Umstrittene Substanz verhindert Biofilmwachstum


Triclosan scheint dabei ein effektiver Wirkstoff zu sein, der Keime radikal abtötet. In einem früheren Beitrag wurde diese umstrittene Chemikalie bereits diskutiert, viele Umweltmediziner warnen vor möglichen Gesundheitsschäden oder halten die Substanz für zu aggressiv. In klinischen Studien konnte Triclosan in Kombination mit einem Copolymer (PVM/MS Polyvinylmethylether/Maleinsäure) die Bildung von Zahnstein um rund ein Drittel verringern.

Ein weiterer Zahnsteinblocker auf dem Markt sind Salze des Metalls Zink. Zinkchlorid oder Zinkzitrat hemmen das Kristallwachstum, indem Zinkionen mit Kalziumionen um Bindungsstellen am Kristallgerüst konkurrieren. Auch Zink-haltige Zahnpasten führen in Studien zu positiven Ergebnissen. Zwar variieren die Daten der Forscherteams je nach Konzentration des Zinks in den verwendeten Rezepturen, grob gemittelt sinkt die Zahnsteinbildung auch hier um etwa ein Drittel.

Sehr vielversprechend sind die Resultate mit dem natürlich im Speichel vorkommenden Stoff Pyrophosphat. Dieser besetzt die Bindestellen des Phosphats und blockiert so die weitere Mineralisation. Kombiniert mit dem oben erwähnten Copolymer konnten einzelne Arbeitsgruppen eine Reduktion des Zahnsteinwachstums um mehr als 50 Prozent nachweisen.

Wirkstoffe wenig hilfreich

In den Marketingoffensiven der Produzenten von Mundpflegeartikeln spielen Blocker von Zahnstein allerdings kaum eine Rolle. Dies könnte einen einfachen Grund haben: Mit chemisch-pharmakologischen Wirkstoffen lässt sich die Zahnstein-Problematik nicht in den Griff bekommen. Denn einmal vorhandener Zahnstein kann mit der Bürste nicht mehr entfernt werden. Zudem sitzt der wirklich „gefährliche“ harte Belag unterhalb des Zahnfleisches. Ein Ort, der für Spüllösungen, Zahncreme und -bürsten nicht zugänglich ist.

Doch was tun, wenn die rauen Stellen auf den Zähnen stören und sich wie feines Schmirgelpapier anfühlen? Wenn die versteinerten Beläge dicker werden und beim Zähneputzen partout nicht verschwinden wollen? Nur eine mechanische Bearbeitung kann Abhilfe schaffen und für Do-it-yourself-Anhänger hält das Internet einige Lösungsvorschläge bereit.

Simpel in der Anwendung und recht kostengünstig könnte scheinbar ein Diamantreiniger Zahnsteingeplagten Erleichterung verschaffen. Viele Online-Shoppingportale bieten den mit Diamantstaub beschichteten Kratzer für unter zehn Euro an. Doch Zahnärzte raten dringend von solchen Selbstversuchen ab: Zwar kann der harte Belag leicht abgetragen werden, doch kratzen die Diamantsplitter tiefe Furchen in den Zahnschmelz. Dieser ist damit für immer verloren und in den Kratzspuren lagern sich um so schneller neue Zahnsteinkristalle an.

Ultraschall aus der Amateur-Liga

Eine weitere Möglichkeit, die zahnärztliche Professionalität vorgaukelt, bieten vielfach zu findende Mini-Ultraschallgeräte. Bereits ab 25 Euro werden die kleinen, vibrierenden Akku-Handstücke in Form einer elektrischen Zahnbürste angepriesen. Auch bei diesem Hilfsmittel fällt das Expertenurteil vernichtend aus. Die Geräte haben nur einen Bruchteil der Wirkkraft von Ultraschallreinigern, die in Dentalpraxen zum Einsatz kommen. Hartnäckiger Zahnstein kann so kaum entfernt werden, die Verletzungsgefahr durch den spitzen Aufsatz ist für das Zahnfleisch enorm.

Nicht zuletzt sind auch sämtliche Handinstrumente des Zahnarztes frei verkäuflich, mit denen vor dem Spiegel experimentiert werden kann. Scaler, Küretten, Sonden oder Zahnsteinhaken sind zum Teil qualitativ hochwertig – doch die Fertigkeiten der Anwender sind es selten. Die Sicht vor dem Spiegel ist eingeschränkt, ein Abrutschen ins verletzliche Gewebe fast unvermeidbar.

Das Resümee ist somit eindeutig: Die Entfernung von Zahnstein ist ein Job für den Profi. Zahnärzte und Dentalhygieniker haben die besseren Geräte und die größere Routine. Sie wissen, wo sich die harten Beläge verstecken, wie Zahnschmelz geschont und Verletzungen vermieden werden können. Eine Basisleistung wird von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlt, besser ist jedoch eine intensive professionelle Zahnreinigung (PZR). Sie beinhaltet meist auch eine spezielle Politur der Zahnoberfläche, die das Anheften von Bakterienkolonien erschwert.

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